OB Ibert zum Klimanotstand

22. Dezember 2019  Allgemein

(vom Freitag, 13.12. für die Gemeinderatssitzung am Montag, 16.12.2019)

Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren,

in Abstimmung mit dem Ältestenrat habe ich den Antrag „Klimanotstand“
der Fraktion Linke Liste Lahr & Tierschutzpartei auf die Tagesordnung des Gemeinderates am 16.12.2019 gesetzt. Entsprechend der üblichen
Gepflogenheiten ist vorgesehen, dass die antragsstellende Fraktion ihren Antrag begründet.

Bevor am 16.12.2019 über den Antrag „Klimanotstand“ abgestimmt wird,
möchte ich im Gemeinderat einen Antrag zum Verfahren stellen und um
einen weiteren Punkt ergänzen:
„Der Antrag an den Gemeinderat zur offiziellen Ausrufung des
Klimanotstandes der Fraktion Linke Liste Lahr & Tierschutzpartei wird zur inhaltlichen Vorberatung in die Gremien (Energiebeirat, Umweltausschuss, Technischer Ausschuss, Gemeinderat) verwiesen. Die Verwaltung wird beauftragt, Vorschläge für ergänzende Maßnahmenzum Schutze des Klimas und zur Anpassung an den menschengemachten Klimawandel zu erarbeiten und in den genannten Gremien zur Diskussion und Abstimmung zu bringen.“

Meine zusammenfassende Begründung ist:
Die plakative Ausrufung eines Klimanotstandes ist für mich nicht das
richtige Mittel und keine hilfreiche Aktion zur ernsthaften Auseinandersetzung
mit dem auch für mich wichtigen Themenkomplex
Klimaschutz/-anpassung. Aus diesen Gründen haben unter anderem in
Baden-Württemberg auch Freiburg, Baden-Baden und Schwäbisch
Gmünd ähnliche Anträge abgelehnt. Wir in Lahr setzen unsere
langfristige und abgestimmte Klimastrategie schon seit mehreren
Jahrzehnten erfolgreich um; wir sind oft Vorreiter und Vorbild gewesen.
Ich sehe aber auch, dass weitere Anstrengungen notwendig sind, um
unsere und um auch übergeordnete Ziele schneller zu erreichen. Ich
möchte aber keine Symbolpolitik machen, ich möchte mit Ihnen dieses
wichtige Thema lösungsorientiert behandeln. Mit meinem
weitergehenden Antrag können wir schon im Januar 2020 die ersten
Ideen im Energiebeirat erörtern. Damit wir schnell, aber auch auf einer
fundierten Basis, unsere Aktivitäten intensivieren und mit zusätzlichen
konkreten Maßnahmen ergänzen können.

Um Ihnen eine gründliche Aussprache in den Fraktionen zu ermöglichen,
erhalten Sie auch meine ausführliche Position vorab:

Klimaschutz und die Anpassung an den menschengemachten
Klimawandel, das sind Themen die uns alle immer intensiver betreffen.
Das betrifft unsere Heimat und Landschaft, die Lebensqualität unserer
Bürgerinnen und Bürger, auch unsere Industrie und Gewerbe, und Sie
als Mitglieder des Gemeinderates und natürlich mich als
Oberbürgermeister der Stadt Lahr.

„Gutes Klima – gutes Leben“, diesen Slogan auf unserer aktuellen
Broschüre über den Klimaschutz in Lahr finde ich sehr passend und
auch ich verfolge diese Zielsetzung. In dieser Broschüre zeigen wir einen
Überblick unserer vielfältigen Aktivitäten. Wir zeigen aber auch die
Aktivitäten von weiteren beispielhaften Akteuren, von Firmen, Vereinen
oder Kirchen in Lahr, denn nur gemeinsam können wir positive
Veränderungen erreichen.

Ich finde es sinnvoll und wertvoll, dass sich die Stadt Lahr schon seit den
90er Jahren systematisch mit diesem wichtigen Themenkomplex
beschäftigt und schon viele zweckdienliche Maßnahmen erfolgreich
umgesetzt hat. Oft war Lahr mit seinen Aktivitäten auch Vorreiter und
Vorbild für andere Kommunen oder andere Akteure. Gerade erst vor drei
Monaten haben wir in einer Pressekonferenz die Öffentlichkeit über
unsere abgestimmte und langfristige Klimaschutzstrategie und unsere
Maßnahmen und Erfolge informiert.

Wir haben vor allem da viel erreichen können, wo wir auch eine direkte
Einflussmöglichkeit haben: wir beziehen qualifizierten Ökostrom, wir
bauen und sanieren unsere Gebäude strenger als vom Gesetzgeber
erfordert, wir stellen unsere Straßenbeleuchtung auf LED um, bei der
Beschaffung beachten wir Nachhaltigkeitskriterien, wir haben 4.400 neue
Bäume auf dem LGS-Gelände gepflanzt…

In unserem städtischen Handlungsbereich sind wir gut, der städtische
Bereich hat aber nur einen Anteil von zwei Prozent an den CO2-
Emissionen auf Lahrer Gemarkung. Wir werden hier weiter aktiv sein,
um unseren relativen, aber auch unseren absoluten Anteil zu senken.
Aber dann bleiben immer noch knapp 98 Prozent an CO2-Emissionen
auf Lahrer Gemarkung übrig. Der Großteil der CO2-Emissionen erfolgt
mit 50 Prozent im Bereich Wirtschaft, dann folgen die privaten Haushalte
mit 28 Prozent und dann der Bereich Mobilität mit 20 Prozent.

In diesen genannten Bereichen benötigen wir deutliche
Emissionsminderungen. Im Bereich Mobilität versuchen wir über die
derzeitige Erarbeitung des Verkehrsentwicklungsplans Veränderungen in
der Verkehrsmittelwahl zu erreichen und damit auch den CO2-Ausstoß
zukünftig zu verringern. Im Bereich Wirtschaft und Haushalte hat die
Stadt Lahr nur relativ wenig Einfluss- und Steuerungsmöglichkeiten. Wir
informieren, beraten und geben Anstöße für energieeffizientes Handeln
oder den Umstieg auf klimafreundliche Energiequellen. Es gibt auch
einige gute Umsetzungsbeispiele, aber eine Umsetzung in der Masse,
bei vielen Unternehmen, Betrieben oder Haushalten ist noch nicht
erkennbar. Und wenn wie in den letzten Jahren die Wirtschaft
erfreulicherweise gut läuft, dann wird meist auch noch mehr Energie
verbraucht.

Wir haben – wie viele andere Kommunen mit gleicher Problematik –
darauf gewartet, dass das sogenannte Klimakabinett in Berlin in diesem
Herbst Aktivitäten fordert oder fördert, in denen wir es als
Stadtverwaltung mangels Durchgriffmöglichkeit nicht können. Nach dem
momentanen Gesetzesstand ist dies jedoch nur (sehr) eingeschränkt
erfolgt. Die Bundesregierung und der Bundesrat müssen da noch
deutlich mehr liefern.

Wo wir als Stadt Lahr stehen, wie wir das vom Gemeinderat einstimmig
beschlossene Energie- und Klimapolitische Leitbild umsetzen, wie wir
auf unserem Weg vorankommen Energie effizienter zu nutzen und den
Ausstoß von Treibhausgase zu verringern, das werden wir im ersten
Quartal 2020 wissen. Dann werden wir mit dem eea, dem european
energy award, unserem Steuerungs- und Controllinginstrument wieder
eine Bilanz ziehen und diese auch extern überprüfen lassen. Das ist für
uns ein fundierter und planmäßiger Anlass, um unsere Ziele oder/und
Maßnahmen allgemein neu zu justieren oder zu optimieren.

Meines Erachtens gehen wir mit unseren bestehenden Ressourcen an
Geld, Personal und Zeit bisher richtig und folgerecht vor. An erster Stelle
standen und stehen auch weiterhin Aktivitäten zum Schutze des Klimas,
also eine Verringerung der Treibhausgase. Und dann, und diese
Aktivitäten vertiefen wir gerade, geht es an die Erarbeitung und
Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen zu den Auswirkungen des
menschengemachten Klimawandel vor Ort. Diese Themen beschäftigen
uns in der Verwaltung und natürlich auch den Gemeinderat. Und wir
werden uns auch weiter und umfassend mit diesen Themen
beschäftigen und uns engagieren, damit wir alle weiterhin gut und gerne
in Lahr arbeiten und leben können.

Die Intention des Antrages der Fraktion Linke Liste Lahr &
Tierschutzpartei, dem Klimathema einen wichtigen Rang in unserem
Planen und Handeln in Lahr einzuräumen, unterstütze ich gerne, aber
die Ausrufung eines Klimanotstandes empfinde ich als zu symbolisch
und auch zu passiv und lehne dies als für uns nicht richtigen Weg ab.

Zum einen ist der Begriff eines Notstandes in Deutschland historisch
bedingt ungut und weckt Befürchtungen. Im Notstand können Gesetze
und demokratische Rechte außer Kraft gesetzt werden. Außerdem
werden Erwartungen an sofortige Lösungen/Änderungen geweckt, die
wir nicht liefern können. Einen Notstand auszurufen, verschließt auch die
Augen vor dem schon geleisteten und in der Umsetzung befindlichen.
Der Notstand ist nur ein symbolisches Zeichen, mit der sich an der
Situation erstmal nichts ändert.

Das ist für mich der falsche Ansatz. Ich möchte mit Ihnen und mit den
Mitteln der Demokratie einen Notstand verhindern. Ich möchte mit Ihnen
gemeinsam auf einem demokratischen Weg Lösungen finden. Ich habe
daher einen lösungsorientierten Ansatz, ich möchte mit Ihnen in unseren
Gremien zur weiteren Umsetzung des Energie- und Klimapolitischen
Leitbildes und zusätzlich zu den schon beschlossenen Aktivitäten des
aktuellen „Energie und Klima –Arbeitsprogramm 2018-2022“ weitere
ergänzende Maßnahmen erarbeiten und dem Gemeinderat zur
Beschlussfassung vorlegen.

Maßnahmen dazu, wie wir als Stadt Lahr die CO2-Emissionen in den
wesentlichen Bereichen Wirtschaft, private Haushalte, Mobilität und
natürlich auch weiterhin bei der Stadtverwaltung verringern können, und
wie wir Lahr an den menschengemachten Klimawandel anpassen und
die Zukunft von Lahr nachhaltig gestalten können. Da in diesem Jahr der
Gemeinderat und auch der Oberbürgermeister neu gewählt und teilweise
mit neuen Personen besetzt wurde, kann es hier gewiss auch neue und
interessante Impulse und Diskussionen geben.

Ich finde, dass dieser weitergehende Ansatz die Stadt Lahr auch weiter
voranbringt, er macht nicht nur eher nicht so nutzbringende
Symbolpolitik, er nimmt das Problem ernst und zeigt einen Lösungsweg
auf, wie wir unsere Klimaaktivitäten intensivieren und optimieren können.
Dies ist meines Erachtens sinnvoller und nutzbringender und auch eine
bessere Botschaft an unsere Bürgerinnen und Bürger.