Antrag und Rede von Lukas Oßwald im Gemeinderat

22. Dezember 2019  Allgemein

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Ibert,

eine Information von Ihnen hinsichtlich unseres Antrags beginnt mit
folgender Einleitung:

„Um Ihnen eine gründliche Aussprache in den Fraktionen zu ermöglichen, erhalten Sie auch meine ausführliche Position vorab.“

Diese Information erreichte uns jedoch erst am Freitag, den 13. Dez.
2019 um 14.52 Uhr. Wie soll das funktionieren? Unser Antrag liegt Ihnen
schon seit dem 28. Nov. 2019 vor. Es sind also über 2 Wochen seither
vergangen. Wir sind ehrenamtlich tätig, Herr Ibert.

Ruft eine Stadt den Klima-Notstand (climate emergency) aus, hat das eine
eine Signalwirkung. Es geht um die Anerkennung der Bedrohung durch die
Erderwärmung. Und es geht um die Anerkennung des menschengemachten Klimawandels. Hervorgerufen dadurch, wie auf der Welt gewirtschaftet wird. Jede Entscheidung der Stadt Lahr soll zukünftig vor dem Hintergrund der Klimabedrohung getroffen werden: Sei es beim Güterverkehrszentrum oder bei der Fliegerei, sei es bei der Neuansiedlung von Unternehmen oder beim Ausweisen von neuen Bebauungsflächen. Aber auch bei der zukünftigen Verkehrsentwicklung, den Schulen und der Gestaltung dieser Stadt. Die Dringlichkeit des Klimaproblems soll in den Vordergrund gestellt werden. Die Entscheidungen dieser Stadt sollen zukünftig an der Klimaverträglichkeit gemessen werden können. Nicht mehr und nicht weniger.
Wir fragen uns, was kann es Dringenderes geben?
Wir fragen uns, was kann man da dagegen haben?
Was spricht gegen einen Beschluss des Gemeinderats, der den Gremien
als Orientierung und Handlungsanweisung dient?

Sie als OB wollen diesen Gemeinderatsbeschluss offensichtlich nicht!

Ursache Nr. 1 für den Klimawandel ist die Verbrennung von Erdöl in
gigantischen Mengen. Dadurch steigt der CO 2 Gehalt in der Atmosphäre
an und verstärkt den sogenannten „Treibhauseffekt“. Deshalb kannweniger
Hitze ins Weltall entweichen.
Wie wichtig Erdöl heute ist, verdeutlicht ein Gedankenspiel: Gäbe es diesen Rohstoff plötzlich nicht mehr, stünden weit über 90% aller motorisierten
Fahrzeuge still. Flugverkehr gäbe es nicht, genauso wenig wie riesige Containerschiffe oder LKWs, die die Supermärkte der Städte füllen.
Plastikbeutel könnten nicht hergestellt werden und würden aus den Läden
ebenso verschwinden wie der Großteil der Produktverpackungen und der
Produkte selbst. Wenn 95% aller Güter zu ihrer Herstellung Öl benötigen,
bleiben die Regale leer. Asphalt, Plastik, teilweise Düngemittel,
Isolierungskabel, Pflanzenschutzmittel sowie Treib- und Heizstoffe. Alle Produkte der modernen Welt werden erdölgetrieben von Unternehmen zu
Händlern und von dort zu den Konsumenten transportiert. Öl ist überall. Es
ist der Treibstoff der Industriegesellschaft. Das System der privaten
Profitmaximierung hat dies ermöglicht. Sinnvoll ist das weder
volkswirtschaftlich noch ökologisch.
Die Situation, vor der wir stehen, kommt einem Strukturbruch gleich.
Historisch gesehen, basiert unsere gesamte ökonomische und damit auch
gesellschaftliche Infrastruktur auf dem Erdöl.

Aus einer Studie der Bundeswehr stammt folgendes Zitat:

„Entsprechend schwierig ist es sich vorzustellen, welche Bedeutung ein
sukzessiver Entzug einer der wichtigsten Energiequellen (gemeint ist Erdöl,
Anmerk. d. Verf.) unserer Zivilisation haben kann. Psychologische Barrieren sorgen für das Ausblenden an sich unbestreitbarer Fakten und führen zu fast instinktiver Ablehnung einer eingehenden Auseinandersetzung mit dieser schwierigen Thematik.“

Fakt ist: Wir sind weit davon entfernt, unsere Klimaziele in Deutschland und auch in Lahr zu erreichen. Die erste Weltklimakonferenz fand übrigen
bereits 1979 statt. Wie lange wollen wir noch warten?

Letzten Freitag erhielten nun die Fraktionsvorsitzenden des Lahrer
Stadtrats eine Information von Oberbürgermeister Ibert hinsichtlich unseres Antrags.

Dort steht: „Die plakative Ausrufung eines Klimanotstandes ist für mich
nicht das richtige Mittel und keine hilfreiche Aktion zur ernsthaften
Auseinandersetzung mit dem auch für mich wichtigen Themenkomplex
Klimaschutz/-anpassung. Aus diesen Gründen haben unter anderem auch
Freiburg, Baden-Baden und Schwäbisch-Gmünd ähnliche Anträge
abgelehnt.“

Wo bitteschön sind hier Gründe genannt?
Sie behaupten, unser Antrag sei plakativ, also oberflächlich und
ungeeignet.

Sie sprechen uns auch die Ernsthaftigkeit ab. Die Fraktion Linke Liste Lahr
& Tierschutzpartei weißt das entschieden zurück.
Sowohl Herr Durke als auch ich haben das Thema nicht zuletzt in unserem
Wahlkampf bei der Oberbürgermeisterwahl vor kurzem hinlänglich unter
Beweis gestellt, wie ernst uns dieses Thema ist. Was ist das für ein
Umgang mit dem kommunalpolitischen Ehrenamt?

Zum Stichwort plakativ: Zierten nicht bis vor kurzem noch ihre unzähligen
Din A0 Plastikplakate aus Erdöl unsere Innenstadt? Auch das ist plakativ!
Sind doch rund um den Flugplatz Container mit „Startklar“ aufgestellt.Auch
das ist plakativ.
Und wirbt nicht zuletzt die Stadt Lahr plakativ mit dem „Richtigen Format“?
Ja auch hier kann man von plakativ sprechen.

Ist deshalb alles oberflächlich und ungeeignet? Das ist nichts weiter als ein
Totschlagargument!

Dann behaupten Sie weiter:
„Wir in Lahr setzen unsere langfristige und abgestimmte Klimastrategie
schon seit mehreren Jahrzehnten erfolgreich um; wir sind oft Vorreiter
und Vorbild gewesen.“

„Wir haben 4400 Bäume auf dem LGS-Gelände gepflanzt.“

Ich würde ergänzen: Wir haben hunderttausende von Tonnen an
Stuttgarter Dreck für die LGS und Zalando nach Lahr fahren lassen. Zur
Info: Ein Vierzigtonner bläst fast ein Kilo CO 2 je Kilometer in die Luft!
Wir haben in noch nie dagewesenem Ausmaß Flächen versiegelt.
Wir haben durch unsere Ansiedlungspolitik ein tägliches Verkehrschaos
ausgelöst.
Wir betreiben einen Raubbau an Landschaft und Natur am „Altenberg“
und in den „Hosenmatten“.
Und unser überlebenswichtiger Wald stirbt klimabedingt in einem
Ausmaß, wie wir es noch nicht erlebt haben
Usw., usw., O
Nebenbei erwähnt: Ich habe schon das vielfache an Bäumen gepflanzt
und aufgepäppelt, würde das aber nicht als CO 2 Maßnahme verkaufen
wollen. Das Fällen hatte der Jahrhunderststurm „Lothar“ besorgt.
Da kann sich die Stadt Lahr noch so viele „European Energy Awards“
umhängen. Die Realität in Sachen Klima der Stadt Lahr ist eine andere.

Herr Ibert sagt:
„Im Bereich Wirtschaft und Haushalte hat die Stadt Lahr nur relativ wenig
Einfluss- und Steuerungsmöglichkeiten.“

Die Stadt hat jedoch weitaus mehr Handlungsspielräume, als Herr Ibert
mit seinen erwähnten 2% in der Information glauben machen will.

Gerade im Bereich Wirtschaft sind die Möglichkeiten eines
Oberbürgermeisters groß. So bestimmt er im Wesentlichen darüber,
welche Firmen sich hier niederlassen dürfen. Eine CO 2 Schleuder wie Zalando hätte einer Klimaüberprüfung nie und nimmer stand gehalten.

Im Weiteren führt er aus:

„Maßnahmen dazu, wie wir als Stadt Lahr die CO2-Emissionen in den
wesentlichen Bereichen Wirtschaft, private Haushalte, Mobilität und
natürlich auch weiterhin bei der Stadtverwaltung verringern können, und
wie wir Lahr an den menschengemachten Klimawandel anpassen und
die Zukunft von Lahr nachhaltig gestalten können.“

Herr Ibert, seien sie ehrlich, sie haben sich doch mit dem Klimawandel
schon abgefunden. Ich lese in Ihrer Erklärung nur Lippenbekenntnisse.
Und die verkaufen Sie uns hier sogar noch als weitergehende
Maßnahme als unsern Antrag.

Wir wollen Lahr nicht dem Klima nicht anpassen, wir wollen den
Klimawandel weitestgehend verhindern!

Das Wort Notstand bringt die Brisanz und die Wichtigkeit zum Ausdruck.
Es ist eine mögliche Übersetzung des ursprünglich englischen Wortes
„Emergency“. Man hätte es auch mit „Dringlichkeit“ übersetzten können.
Allein an einer Übersetzungsvariante die plakativ sei machen sie ihre
Ablehnung fest.

Sie wollen aber eines nicht: Dass man die zukünftigen Entscheidungen
der Stadtverwaltung durch die Klimarelevanz zu Fall bringen kann.
Dadurch würden nämlich die Fliegerei, das Güterverkehrszentrum und
weitere Flächenversiegelungen durch Logistiker und andere Investoren
einer echten Klima-Prüfung unterzogen. Die Stadt Lahr hat heute die
Gelegenheit, das per Gemeinderatsbeschluss zur Grundlage ihres
zukünftigen Handelns zu machen.

Sehr geehrte Damen und Herren, im Namen der Fraktion Linke Liste
Lahr & Tierschutzparte bitte ich sie: Helfen Sie uns dabei, wirklich
Klimavorreiter zu werden und unterstützen sie unseren Antrag.

Lukas Oßwald, Fraktionsvorsitzender Linke Liste Lahr & Tierschutzpartei