Michael Schlecht, MdB

06. Februar 2010  Positionen

Michael Schlecht, MdB
Chefvolkswirt Fraktion DIE LINKE Gewerkschaftspolitischer Sprecher im
Parteivorstand DIE LINKE

5. Februar 2010

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ver.di fordert für die rund zwei Millionen Beschäftigten im öffentlichen
Dienst eine Lohnerhöhung und weitere Verbesserungen im Gesamtvolumen von
fünf Prozent. Der Bundesinnenminister und Verhandlungsführer der
Arbeitgeber, Thomas de Maizière, spricht von „maßlosen Forderungen“ und
legte bisher kein Angebot vor. Er beklagt die miserable Haushaltslage der
Kommunen und des Bundes. Viele Kommunen stehen am Rande des Bankrotts und
der Bund macht dieses Jahr eine Rekord-Neuverschuldung von 86 Milliarden
Euro. Das ist Fakt.

Fakt ist aber auch, dass dieses finanzielle Desaster Folge der anhaltenden
Steuergeschenke an Reiche und Vermögende in den letzten zehn Jahren ist. Und
es ist Folge der Wirtschafts- und Finanzkrise. Die deutsche
Wirtschaftspolitik hat hieran eine massive Mitschuld.

Mit Lohndumping wurde die Binnennachfrage geschwächt damit die Exporte
besonders gut laufen. In den letzten zehn Jahren ist gegenüber dem Rest der
Welt der Außenhandelsüberschuss auf fast eine Billion Euro angewachsen. Die
USA waren mit ihrer Verschuldung der Hauptfinanzier der deutschen, aber auch
der japanischen und chinesischen Außenhandelsüberschüsse. Dies ging solange
gut, bis diese Verschuldung in den USA zusammenbrach.

Fazit: Die schlechte Lohnentwicklung der letzten zehn Jahre ist eine der
Ursachen der Weltwirtschaftskrise. Jetzt weiterhin kurz zu treten wäre ein
Beitrag zur weiteren Verschärfung der Krise.

Wirtschaftspolitisch kommt die Forderung genau zum richtigen Zeitpunkt. Die
öffentlichen Arbeitgeber beziffern die Kosten auf etwa fünf Milliarden Euro.
Dies würde zur dringend benötigten Stärkung der Binnenwirtschaft beitragen.

Wenn die Kolleginnen und Kollegen des öffentlichen Dienstes für ihre
Forderungen streiken, dann ist dies nicht nur ein Beitrag zur Verbesserung
der persönlichen Lage. Dann leisten sie einen unschätzbaren Beitrag zur
wirtschaftlichen Stabilisierung unseres Landes. Die Streikenden sind die,
die etwas für unser Land tun, nicht eine wirtschaftspolitisch ignorante
Regierung.

Die Bundesregierung erlässt Erben, Hoteliers und Unternehmen rund vier
Milliarden Euro an Steuern. Das hat aber keinen konjunkturellen Effekt,
sondern ist reine Klientelpolitik.

Die finanzielle Sanierung der Kommunen und des Bundes ist nicht mit
Lohnzurückhaltung möglich. Notwendig ist eine massive Besteuerung reicher
und vermögender Bundesbürger. Hätten wir heute noch die Steuergesetze aus
der Zeit der Kohl-Regierung, so wären die jährlichen Staatseinnahmen um 100
Milliarden höher.

ver.di fordert in einem Steuerkonzept rund 70 Milliarden jährliche
Mehreinnahmen. DIE LINKE sieht die Möglichkeit von mindestens 160 Milliarden
Mehreinnahmen. Vor allem durch die Wiedereinführung der Vermögensteuer in
Gestalt der Millionärsteuer. Bei einem Freibetrag von einer Million Euro
soll Vermögen mit fünf Prozent besteuert werden. Dies würde allein 80
Milliarden zusätzlich in die Kassen der Länder spülen. Diese können dann die
Kommunen ausreichend mit Finanzen ausstatten.

Mit kollegialen Grüßen

Michael Schlecht, MdB
Chefvolkswirt der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag