Sehr geehrter Herr Scherer,
vielen Dank für ihr Schreiben vom 26. März 2020 hinsichtlich des Umgangs
mit der Gremienarbeit im Ortenaukreis in der Corona-Krise.
Meine
Kritikpunkte bleiben trotz allem brandaktuell, auch wenn Sie nicht mehr
von einer generellen Absage der Gremienzusammenkünfte sprechen. Sie
wollen die mehr als wahrscheinlichen Absagen nun von Sitzung zu Sitzung
entscheiden mit Hilfe des Ältestenrates bzw. den Fraktionssprechern der
betroffenen Gremien. Diese sollen auch darüber befinden, welche
Tagesordnungspunkte derart dringend sind, dass sie per
Eilentscheidung getroffen werden.
Der einzelne Kreisrat bleibt entmachtet und die Öffentlichkeit außen vor.
Diese Vorgehensweise hat keine Billigung durch den Kreistag. Sie verstößt gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit. Deshalb bleibt es rechtswidrig, denn es gibt keine demokratische Legitimation für die Entscheidungen.
Eilentscheidungen sind per Gesetz enge Regeln gesetzt, die eingehalten werden müssen.
Weder der Ältestenrat noch die Sprecher der Fraktionen der jeweiligen Gremien dürfen das zusammen mit dem Landrat aushebeln. Genauso verhält es sich mit Absagen von Gremiensitzungen.
Es wäre schon genug Zeit im Vorfeld gewesen, eine Sondersitzung des Kreistages abzuhalten. Die Krise bahnte sich schon seit vielen Wochen an. Sie muss jetzt zwingend stattfinden, um eine rechtskonforme Regelung der Gremienarbeit in dieser Zeit zu beschließen.
Es stellt sich auch die Frage, was Sie beabsichtigen, sollte die Corona-Krise über den 15. Juni hinaus andauern.
Lassen Sie mich, Herr Scherer, noch folgendes anmerken:
In diesen Krisenzeiten verlangt nicht zuletzt die Kreisverwaltung viel von den Beschäftigten. In den Krankenhäusern und in den Heimen wird von den Ärzten und vor allem den Pflegerinnen und Pflegern übermenschliches geleistet. Auch in vielen anderen Bereichen muss die Arbeit weiter gehen. Der Handel und die Produktion von Lebensmitteln, die Presse,
die Müllabfuhr, die häusliche Pflege etc., überall wird mit erhöhtem Einsatz und persönlichem Risiko weiter gearbeitet. Das Leben muss weitergehen. Hier könnte auch der Kreistag zeigen, dass trotz der Krise eine demokratische Gesellschaftsordnung oberstes Gebot ist und bleibt. Er
hat hier Vorbildfunktion und er kann und muss tagen. Das ist mit entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen machbar und zumutbar.
Ungeachtet meiner Kritik und ohne das Verfahren insgesamt zu billigen, nehme ich Ihr Angebot an. Im Falle von Sitzungsabsagen werde ich in Absprache mit meiner Kreistagskollegin Frau Öger vor der jeweiligen Videokonferenz unsere Positionen an Sie per E-Mail schicken, damit sie diese dann entsprechend kommunizieren. Unmittelbar nach der
Konferenz erfolgt dann die Information über die Ergebnisse der Videokonferenz.
Lahr, den 27. März 2020
Lukas Oßwald, Kreisrat Linke Liste Ortenau